25. Juni 2014

Zug Tiblisi nach Baku

23. Juni Montag: Doch etwas nervös lasse ich mich zum Bahnhof fahren. Taxi kostet soviel wie ein Kurzstreckenticket in Winterthur. Der Bahnhof von Tiflis ist eine in Beton gegossene Einöde. Die letzten Lari  gebe ich für Mineralwasser aus. Wenn es nichts zum Essen gibt dann wenigstens genügend trinken. Ohne Essen kann man aushalten. Aber trinken ist wichtig. 

Der Zug steht schon da und entspricht den Vorstellungen.

Nix von Leichtbauweise. Massive russische Stahlbauweise. Innen drin gleich mehrere Türen um abzudichten. Klimaanlage vorhanden (die wird aber in der Nacht ein paarmal den Geist aufgeben) und vor allem sauber und in tadellosen Zustand. Wagen 2 Liegeplatz 25.
Kaum trete ich ein begrüsst mich ein Mann als "Nemenskiy" - Deutscher - und ruft mir entgegen: "Deutschland über alles".  Da haben ja die Vorfahren bleibenden Eindruck geleistet, aber er hat nur einen Kollegen gebracht und geht. Ich bin erleichtert. Die anderen bitten mich zu tauschen mit "Kollega". Sind eine Gruppe. Warum nicht. Mir macht es nichts aus. 

Ich gehe ins Nebenabteil und erschrecke. Zwei Frauen sind da. Eine in meinem Alter und die Mutter vielleicht. Bin ziemlich verwirrt. Was tun. Die Frauen weniger. Merke, dass dies wohl so üblich ist und setzte mich. Lache verunsichert. Die jüngere Spricht etwas English. Einzelen Worte. Kurze Sätze. Sie ist Ärztin (Kardiologie) und mit "sister of my mother" wieder auf dem Weg nach Baku. 1955 geboren. Zwei Kinder.  Wir tauschen uns aus. Woher ich komme. Wohin ich gehe. Wo ist meine Frau. Warum nicht dabei. Ihre Tochter war im Irak (warum habe ich nicht verstanden) ist aber jetzt in Europa unterwegs. Ferien. 

Jetzt kommt eine andere Frau mit Ihrer Tochter, diese übersetzt und klärt auf, dass man kein Papier in die Toilette werfen soll sonst gibt es kein Wasser. Ich versuche mir die Konsequenzen dieser Anweisung vorzustellen und die entprechenden Lösungen dazu. 

Der Zug fährt los.
Ich entspanne mich. Mit zwei einheimischen Frauen im Abteil schafft Sicherheit. 
Gleichzeit wird mir klar das die Vorsorgunslage gesichert ist was sich kurz danach bestätigt. Es wird Fladenbrot ausgepackt. Tuberschüssel mit Feta, Gurken, Aprikosen, Tomaten. Bald liegt von jedem was auf meinem Tagesrucksack. Ich bin beschäftigt zu essen und dafür zu sorgen das die Essensachen nicht vom Rücksack kullern. Jetzt kommt noch ein Mann ins Abteil. Er gehört zur Gruppe und erklärt mir (auf aserbaidschan), das sie in Tiflis waren zu einer Sportveranstaltung. Leichtathletik. Sie sind Schiedsrichter. Eine ganze Gruppe von Männern. Noch mehr entspanne ich mich für heute nacht. Auch er packt eine Tüte aus. Pflaumen und Kirschen. Frische Kirschen. 
Der Tisch ist übervoll. Mir fallen noch meine türkischen Pistazien ein und lege die auch auf den Tisch. 


Zwischendrin fällt mir auf, dass die Männer in einer Mischung aus Turnhose und Schlafanzug unterwegs sind. Also gehe ich mich auch umziehen. Kurze Hose und Badeschlappen. So reist man entspannt (Am nächsten Morgen setzte aber kurz vor der Ankunft das grosse Umziehen an. So läuft man dann doch nicht durch Baku)

Jetzt tritt Spannung ein. Der Zug stoppt. Grenze Georgien. Ein  furchterregende  Grenzbeamtin zieht die Pässe ein und ich sehe sie draussen nur noch verschwinden. Blödes Gefühl wenn der Pass weg ist. Oje es kommt noch schlimmer. Iwona - die Wuchtige, alle Vorurteile werden bestätigt - kommt mit den blauen Handschuhen und wurstelt nur etwas in den Taschen rum. Eigendlich unsinnig was Sie macht. Mein Rücksack wird verschont. Die Frauen hören Musik und schauen Bilder auf dem Smartphon. Samsung haben alle. Das ist der Standard.

Jetzt kommt Natascha Waagenschaffnerien. Jeder Wagen hat eine aber, die Nr. 2 die Schönste aber Unfreundlichste. Sie drückt mir ein Formular in die Hand. Zolldeklaration. Russisch. Ich schaue blöd und sie grunzt was soll Russisch lernen - so wird mir übersetzt-. Aber es ist kein Problem. Es gibt auch eine englische Version des Formulars. Warum nicht gleich. Ich fülle das extrem sorgfältig aus und wird später eingezogen auf der Seite von Aserbaidschan. Als mir auffällt das ich die PAssnummer nicht eingetragen habe winkt der Zöllner nur ab. 

So jetzt geht es weiter. Der Pass ist zurück und der Zug fährt nach Aserbaidschan. Nach 15 Minuten hält er wieder. Einreiseformalitäten Aserbaidschan. Der Pass ist schon wieder weg. Wir werden einer nach dem anderen in das vorderste Abteil gerufen. Dort sitzen zwei Grenzer. Einer erfasst sehr korrekt die Passdaten, ich werde fotografiert - Logitech-Kampera- der zweite frägt "Deutsch" , ich nicke, er sagt "I love you" meint aber wahrscheinlich die Deutschen und nicht mich persönlich.  Der andere haut den Stempel auf das Visum. Das war es mit der Einreise. 

Alle schalten die Natel ein. Es wird telefoniert. WhatsApp abfragen.
Nach einer Stunde gehts weiter. Wir unterhalten uns. Ich frage nach der Religion und bekomme zu hören "supertoleranter Islam". Nun haben wir die Namen ausgetauscht. Die Jüngere heisst Irada (Bedeutung Wollen) der Mann Jazar und die ältere Frau Suljiyye = Frieden da sich am 9. Mai 1945 morgens am Tag der deutschen Kapitulation geboren wurde. So eine Geschichte berührt  mich speziell. Und ich sitze jetzt hier umgeben von warmherzigen Menschen nach dieses historischen Hintergrund und alle meinen es Gut mit mir und kümmern sich um mich.

Ich gehe raus und werde von Olga auf deutsch angesprochen. Nicht schlecht sogar. Sie hat in der Schule gelernt und Freunde in der Schweiz. Winterthur und Mörschwil. So ein Zufall. Auch wir reden. Kemal ihr Mann wird mir vorgestellt. Auch wieder was ich mache. Wohin. Wie lange in Georgien, wie lange in Aserbaidschan. Nur 3 Tage. Sie: das ist zu wenig. Ich: komme wieder nach Aserbaidschan da es hier so liebe Menschen hat. Sie strahlt mich an und wir verabschieden uns.

Zurück im Abteil wird jetzt nochmals intensiv meine Reiseroute besprochen und mir werden Tipps gegeben.  Aber wir werden auch müde es geht gegen 22 Uhr zu. Irada meint sie würde gerne besser English sprechen, dann könnten sie noch mehr erfahren.  

Nun wird's aber Zeit zum Schlafen. Ich klettere auf die obere Liege. Die Frauen reden noch. Jazar ist bei seinen Kollegen. Irgendwann schlafe ich ein. Gegen 2 Uhr werde ich wach und merke das 3/4 der Menschheit schnarcht (am nächsten Tag organisiere ich mir erstmal ein Headset der völlig abdichtet). 

Am nächsten Morgen kommen alle zerknittert aus der Koje. Irgendwann wird wieder Essen ausgepackt und schon habe ich Zwieback mit Marmelade in der Hand. Die Wagenschaffnerin bringt sogar Tee in einem echten Glas und zeigt einen Anflug von Lächeln.
Wir holen alle die Smartphones raus und zeigen die Bilder von den Kindern und Familie. Das Bild vom Freitag mit Doris und Jonas ist jetzt Gold wert. So kann ich aus was zeigen. Finde sogar noch ein Bild von der Schneeschuhwanderung im Toggenburg. Ich hinterlasse meine Blogadresse. Wir fotografieren uns gegenseitig.



Jetzt fahren wir an endlosen Industrieanlagen entlang. Aber Ruinen. Nicht mehr im Betrieb. Einmal sehe ich ein Depot mit Panzer. Sicher 50 Stück. 

Die Einfahrt in Baku dauert. Durch die Vorstadt. Macht auch einen sehr heruntergekommenen Eindruck. Der Abschied naht und es fällt doch schwer. Ich verabschieden uns herzlich. Als ich am Wagen draussen vorbeigehe klopfe ich nochmals ans Fenster und wir winken uns zu.

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